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Vermutungen zu Zusammenhängen mit einer mittelalterlichen Frömmigkeitsbewegung

von Eberhard Gröner (Dekan i.R.)

 

Neben den vielen Fragen, die dieser wohl schönste Bau der alten Stadt Waiblingen im Zusammenhang mit seiner Baugeschichte und seiner Verwendung im Mittelalter aufwirft, bleiben schon der Name und der Hintergrund seiner Namengebung ein offenes Problem.

Sollte die Vermutung zutreffen, daß das Nonnenkirchle eine alte Wallfahrtskirche im Zusammenhang der Verehrung eines in der Unterkirche begrabenen kirchlich bedeutenden Mannes ist, so bleibt immer noch offen, wer die Kräfte und Gruppierungen waren, die hinter der Kirche, ihrem Bau und der Organisation der Wallfahrt stehen.

Der Artikel hat die Aufgabe, einigen Vermutungen nachzugehen, die in den letzten Jahren in der Diskussion in Waiblingen auftauchten.

Leider gibt es so gut wie keine Dokumente, die eine Klärung zuließen. Auch dieser Aufsatz muß sich deswegen auf der Ebene der Vermutungen bewegen, für geschichtlich Interessierte wissenschaftlich  eine Zumutung, eher ein Gewinn für solche, die allgemeine Informationen über die Frömmigkeitsgeschichte des Mittelalters suchen.

Neben der These, daß durch die Ausgestaltung der Schlußsteine im Obergeschoß die Verbindung zu den 14 Nothelfern gesucht  (Erasmus, Georg, Achatius und Sebastian) und dadurch der Hinweis auf eine Funktion als Wallfahrtskirche bestärkt wird, könnten die 14 Nothelfer auch in den Zusammenhang der mittelalterlichen Beginenbewegung gestellt werden. Beide Zuschreibungen müssen sich nicht ausschließen. Wie im Folgenden beschrieben wird, könnte die Betreuung der Wallfahrt durch ortsansässige Beginen geschehen sein.

Bevor eine ausführlichere Beschreibung der Beginenbewegung folgt, kurz eine Unterscheidung, die um so wichtiger ist, als bis in den heutigen Sprachgebrauch hinein Beginen unter anderem auch Klausnerinnen und Nonnen genannt wurden. Nonnen sind an eine klösterliche Gemeinschaft mit Ordensgelübde gebunden. Ein Kloster ist normalerweise durch Gründungsakten und Stiftungen nachzuweisen. Beginen leben eher in selbst gewählten Gemeinschaftsformen, meist mit wenig ausgeprägten religiösen Regeln bis hin zu einem gemeinsamen armen Leben in Konventen, Zusammenschlüssen mit ordensregelähnlichen Strukturen.

 

Aus den Unterlagen des städtischen Archivs in Waiblingen lassen sich einige Fakten erheben.[1]

 

128o: Eine Laienschwester Mergard aus Waiblingen vermacht der Priorin und dem Kloster Weiler (bei Esslingen) zum Heil ihrer Seele für den Fall ihres Todes zwei Weinberge in Heppach und Einkünfte aus einem Baumgut und Garten zu Beigenstein (Beinstein) sowie zu ihren Lebzeiten 2 Imi Wein. (Nicht ersichtlich ist, ob diese als „ Nonne“, Begine, tätig war.)

 

1347 Schwester Adelheid von Waiblingen verkauft Gülten von auswärtigen Gütern lt. dem Esslinger Urkundenbuch.

 

Um 1350: Im Urbar aus der Zeit Eberhard des Greiners ist von Nunnelin (Nönnlein) die Rede, das aus einem Morgen ob dem Velbacher Wege den Zehenden zu geben hat.

Daraus kann geschlossen werden, daß zu dieser Zeit bereits „Nonnen“ (Beginen) in Waiblingen tätig waren.

 

1474 Im Verzeichnis der Güter und Einkünfte der alten Frühmesspfründe, die 1327 gestiftet wurde, ist von zwei zinspflichtigen Häusern die Rede, deren eines „ andererseits Nonnenhaus“ gelegen ist.

 

1494 Im Lagerbuch von 1494 ist von einem „Krautgarten am Nonnen Garten“ die Rede; an anderer Stelle von einem Krautgarten „ an der... Schwestern Garten“ sowie von „¼ ( Morgen) Wiese, darauf die Schwestern ihr neues Haus gebaut haben. (Daraus ist zu schließen, daß im 15. Jhd. ein Nonnenhaus neu gebaut wurde, woraus die ursprüngliche Existenz eines Vorgängerbaus vor der Errichtung des Nonnenkirchleins ( 1496) hervorgeht.

 

1496 Baubeginn des Nonnenkirchleins

 

1501 Hans Glüwer und Conrat Viraübet, beides Waiblinger Bürger, haben von „ den ehrbaren andächtigen Schwestern der Clause zu Waiblingen St. Francisten Ordens der dritten Regel ihre Häuser aneinander beim Fellbacher Tor und der Stadtmauer“ gekauft. Sie versprechen den Schwestern dafür jährlich 5 Schilling Heller ewigen Urbarzinses auf Martini zu geben. (Damit sind die „Nonnen“ als Tertiarinnen identifiziert, außerdem eine Stiftung an diese)

 

1520: Im geistlichen Lagerbuch ist vom Baumgarten bei der Pfarrkirche an der Clause die Rede.

 

1527 Die Geistlichen, die „Zwölf vom Salveamt“ und die Nonnen widerstehen der reformatorischen Predigt von Lienhardt Wernher, der bald darauf Waiblingen verlassen muß.

 

1528 Verkauf an die „Mutter“ und die „Schwestern“ der Clause zu Schorndorf der dritten Regel Haus und Hofraite (also auch dort Tertiarinnen)

 

1545 In der Türkensteuerliste erscheinen u. a. „die Nunnen“, die mit 200 Gulden versteuert werden (niedrigster Satz).

 

1554/55 ist ein Vertrag zwischen der Herzogin Sabine und Elisabetha Hiltprädin und Anne Rickerin, beide in der Clause oder Schwesternhaus zu Waiblingen bekannt, in dem diese unterstützt werden und dafür die Behausung übergeben. 1613/14 wird das Leibgeding in eine Almosenstiftung für Arme umgewandelt.

 

1634 Zachersche Chronik von 1666: „Sobald aber das Nonnenhaus samt dem Fellbacher Tor angezündet worden war.....“

 

1671: Württembergisches Kellereilagerbuch: abgebranntes Nonnenhaus. Nach der Beschreibung in der Nähe des heutigen Karolingerschulhofes zu suchen.

 

Wenn die bekannten Quellen zusammengefaßt werden, dann ist festzuhalten: Es gab in Waiblingen eine unbestimmbare Gemeinschaft zusammenlebender Frauen in der Nähe des Nonnenkirchleins, die Tertiarinnen waren, und zwar nach franziskanischem Muster. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß diese Gemeinschaft ein Teil der großen Bewegung der Beginen war, die seit dem 13. Jhd. von den Niederlanden ausgehend Verbreitung fanden.

 

Wer waren die Beginen?

Diese Frage ist schwierig zu beantworten, vor allem deshalb, weil eine Fülle unterschiedlicher Lebensformen von Frauen unter diesem Begriff zusammengefaßt werden. (Schreibweise auch Beghinen oder Beguinen) Außerdem gab es einen männlichen Seitenzweig, die Begarden - dieser wird aus Platzgründen nicht behandelt werden können. (Beide Gemeinschaftsformen sind auch unter dem Titel „Schwestern/ Brüder vom gemeinsamen Leben“ bekannt.)

Die Quellen über Waiblingen zeigen auch nur eine Spätform beginischen Lebens, angebunden an die Regeln der 3. Orden der Franziskaner. Von andern Bettelorden sind ähnliche Regeln überliefert.

Zu Beginn der Neuzeit im 15. Jhd. waren die Franziskaner in Deutschland und darüber hinaus besonders in den Städten bedeutende Prediger. Sie prägten das städtische religiöse Leben bis hinein in die Begleitung der Bruderschaften, die sich aus dem Bürgertum der Städte bildeten, um einen eigenen tiefen religiösen Frömmigkeitsstil zu pflegen. Im Vorgriff auf die kommenden Erläuterungen muß festgehalten werden, daß die Waiblinger Beginen eine sehr an den damaligen offiziellen religiösen Stil angepaßte Frömmigkeitsform lebten. Anders wäre die Bewegung wahrscheinlich den üblichen Verdächtigungen anheimgefallen: Einerseits von der etablierten Kirche und den Weltpriestern der Häresie verdächtigt, andererseits vom Bürgertum wegen Bettelei und Müßiggang nur ungern gesehen.

Ehrlicherweise muß zugegeben werden, daß über die Frühzeit der Beginen in Waiblingen keine genauen Angaben zu machen sind. Angenommen, hinter den Angaben von 1280 würde sich ein früher Hinweis auf ein Beginenhaus verbergen, wäre über die Lebensform noch nichts ausgesagt. Forschungsgeschichtlich bewegt man sich auf unsicherem Boden, im wesentlichen lassen sich idealtypisch drei Positionen unterscheiden: die „Versorgungsthese, die das Beginentum auf die ökonomische Situation unverheirateter Frauen zurückführt“, die“ Religiositätsthese, die an die Stelle des ökonomischen den spirituellen Notstand setzt“ und die „Emanzipationsthese, in der das Beginentum als befreiende Tat der in der Ehe und Familie unterdrückten mittelalterlichen Frau interpretiert wird.“[2] Das Problem aller dreier Hypothesen ist, daß sie von einer mehr oder weniger großen Homogenität der Beginenbewegung ausgehen. Tatsächlich aber lassen sich generelle Aussagen nur in kleinen Teilbereichen oder fest umrissenen Entwicklungsphasen machen. Sicher gab es besonders in der Spätphase der Bewegung Konvente für arme Beginen in den Städten, besonders im 14. und 15. Jhd. für Frauen, die wegen Männermangels nicht heiraten konnten und deren berufliche Zukunft durch den Zusammenbruch des mittelalterlichen Zunftwesens und der gesamten wirtschaftlichen Verarmung dunkel war, und die außerdem so wenig Vermögen hatten, daß eine klösterliche Existenzform nicht möglich wurde. Dieser Sachverhalt läßt aber keine genaue Beschreibung der Lebens- und Glaubensformen zu.

Für Waiblingen wäre diese These besonders dadurch interessant, daß Herzogin Sabine 1554/ 55 zwei namentlich genannte Frauen unterstützte und später das Gebäude des vermuteten Beginenhauses als Armenstiftung bis zum Stadtbrand genutzt wurde.

Über die Frömmigkeitsbewegung, deren Formen und Inhalte, gerade in Waiblingen, ist damit allerdings nichts ausgesagt. Im hohen Mittelalter kam es zu einer Vielzahl religiöser Bewegungen - nur als Beispiel wären die Katharer, die Albigenser und Waldenser zu nennen, die besonders das Bürgertum der Städte ergriffen und zugleich soziale Bewegungen waren. Zum besseren Verständnis dieser Bewegungen wäre neben der Frömmigkeitsgeschichte auch die Sozialgeschichte, besonders die der großen Städte heranzuziehen, in der es neben wirtschaftlicher Blüte naturgemäß zu einer breiten Verarmung der Bevölkerung kam. Hinzuweisen wäre in diesem Zusammenhang auch auf die Verfolgungen des Judentums - gerade in Frankreich und im Rheinland während der Kreuzzüge, bei denen auch wirtschaftliche Gründe eine große Rolle spielten. Die großen internationalen Handelshäuser, besonders in den oberitalienischen Städten, begannen sich zu etablieren.

Vermutet wird, daß schon um 1000 n. Chr. die ersten Beginen ins Licht der Geschichte traten, sie sind damit auch ein Teil der großen religiösen Bewegung, die wegen der Ängste im Zusammenhang der Jahrtausendwende und der Furcht oder Hoffnung vor der Wiederkunft Christi Europa ergriffen hatte. Einschränkend muß nach neuerer Forschungslage ebenfalls darauf hingewiesen werden, daß diese Endzeitfurcht aber nicht allzu weit verbreitet war und sich nur auf einige schriftliche Quellen stützen kann. Im 12. Jhd. begann die große Blütezeit dieser Bewegung besonders in den niederländischen Städten, z. B. 1175 in Lüttich unter Lambert de Begue. Neben großem sozialen Einsatz in der Armen - und Krankenpflege, besonders unter Leprösen wurde eine starke mystische Frömmigkeit gelebt. In diesem Zusammenhang verstärkte sich auch die Marienverehrung im christlichen Abendland, die im frühen Mittelalter eher unbekannt war und theologisch keine große Bedeutung hatte. Noch die Waldenser wurden im 13. Jhd. z. B. wegen ihrer Marienverehrung von der offiziellen Kirche meist verspottet. Immer schwebte über den Beginen das Urteil, zu nahe an den Ketzerbewegungen angesiedelt zu sein, besonders da sie sich nicht immer an bestehenden Klöstern oder Orden ausrichteten. Im Deutschen Reich war Mechthild von Magdeburg eine herausragende Vertreterin dieser Bewegung.

Schon um 1223 soll es in Köln etwa 22 Beginenhöfe mit etwa 2000 Beginen gegeben haben, die drei ersten einzeln lebenden Beginen in Köln werden bei Vermögensübertragungen urkundlich erwähnt.[3]

Die genannten Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu behandeln, besonders da lange Zeit die Beginen auch einzeln oder nur in kleinen Gemeinschaften lebten.

Weit über das wirtschaftlich stark entwickelt Rheintal hinaus verbreitete sich diese Bewegung, im 13. Jhd. lassen sich Beginenhöfe in beinahe jeder größeren Stadt und später auch im ländlichen Bereich in Dörfern und Kleinstädten nachweisen. Ihren Lebensunterhalt verdienten sich die Beginen mit Bettel und Almosen wie viele mittelalterliche Personen und die Bettelorden. Der Bettel war nicht nur unter dem großen Teil der verarmten Bevölkerung ein bewährtes Mittel zur Lebenssicherung. Daneben war besonders die Weberei ein Mittel, Einkünfte auch größeren Ausmaßes zu erzielen, außerdem Kranken - und Armenpflege und die Betreuung der Toten, neben der Landwirtschaft, besonders bei Beginen, die von den Aufbrüchen der Zisterzienserbewegung beeinflußt waren. Auch im süddeutschen Raum lassen sich vom wirtschaftlichen Zentrum um den Bodensee über die schwäbische Alb hinweg bis in unseren Raum, oft entlang der großen Handelswege, Beginenhäuser nachweisen. In diesem Raum zwischen Ulm und Zürich sind im 12. Jhd. etwa 400 Beginen und 800 Nonnen urkundlich erwähnt.

Für Waiblingen, ebenfalls an einer Handelsstraße gelegen, könnte dies ein weiteres Indiz sein, das für ein Beginenhaus sprechen könnte.

Eine einheitliche religiöse Regel analog den Ordensregeln läßt sich für die Frühzeit nicht nachweisen, dazu war die Bewegung zu disparat. Außerdem lebten viele Beginen einzeln, sie hatten auch eine deutliche Nähe zur Eremitenbewegung des hohen Mittelalters. So lassen sich z. B. einzelne Klausen in den Wäldern Vorarlbergs und des Bodenseeraumes beschreiben.

Allerdings wäre die Beschäftigung mit einer weiteren Wurzel interessant, der Gemeinschaft der Konversschwestern, die sich seit dem 11. Jhd. im Anschluß an hirsauische Reformklöster, an Augustinerchorherren - und Prämonstratenserstifte bildeten und später zu Nonnenklöstern für adlige Frauen umgewandelt wurden. Spirituelle und soziale Fragen bilden dafür den Erklärungshintergrund, nichtadlige, weniger vermögende Frauen wurden von diesen Bewegungen ausgeschlossen und fanden bei den Beginen ihre Heimat.[4]

Zu Beginn war dies sicher eine städtische oder seltener einsiedlerische Bewegung, auch im Zusammenhang der Emanzipationsbewegung von Frauen der mittelalterlichen Städte zu sehen, die sich in der Gesellschaft durch Bettel, Almosen, Krankenpflege, die Betreuung der Sterbenden und Toten auszeichneten - wobei ungeklärt bleibt, inwieweit der kontemplative, stark mystisch geprägte Charakter einer emanzipatorischen Haltung mit dem Ziel selbstbestimmter Lebensformen widerspricht. Die Beginenbewegung war eine der möglichen, gesellschaftlich anerkannten Lebensformen für Frauen. Außerdem, um den emanzipatorischen Ansatz auch forschungsgeschichtlich zu hinterfragen, der sich auf die Ereignisse in den großen Städten stützt, bleibt die ländliche Bewegung normalerweise außerhalb der Betrachtungsweise. Auch müßte dieser Ansatz deswegen kritisch befragt werden, ob in ihm nicht zeitgenössische Problemstellungen auf das Mittelalter übertragen werden. Die Dokumente geben wohl einen Blick darauf her, daß sich ein Teil der Frauen damaligen gesellschaftlichen Rollen und Funktionalisierungen entzog, aber dies heißt nicht, daß darin die eigentliche Motivation bestand, als Begine zu leben. Zu sehr blieben diese Frauen in den allermeisten Bereichen den herkömmlichen Lebensformen verhaftet. Außerdem muß, dies zeigt die Auseinandersetzung um Hildegard von Bingen, genau zwischen zeitgenössischen Quellen und der Hagiographie späterer Jahrhunderte unterschieden werden.

Meister Eckhart und andere Theologen mystischer Prägung beeinflußten die Beginenbewegung des deutschen Sprachraumes sehr. Eine Beschäftigung mit den verschiedenen mystischen Bewegungen des Mittelalters wäre notwendig, um einen Überblick über die Unterschiedlichkeit auch im Denken dieser Frauen zu bekommen und sie besser verstehen zu können.

Obwohl kirchlich nicht immer angesehen, wurde die Bewegung durch Gregor IX. 1230 durch die Bulle „Gloriam virginalem“ bestätigt. Allerdings kommt es im Lauf der kommenden Jahrzehnte zu unterschiedlich begründeten Ketzereivorwürfen und Zuordnungen zu den verschiedensten Reformbewegungen, so daß 1311/ 12 die Beginen durch das Konzil von Vienne verurteilt wurden.

Es würde in diesem kurzen Aufsatz viel zu weit führen, die vielen Formen oft geschickter Anpassung an kirchliche lehramtliche Aussagen zu beschreiben. Wie jede offene Bewegung, die in vorhandenen Strukturen um das Überleben kämpft, gab es unterschiedliche Lösungsansätze - wobei immer wieder einzelne Beginen oder deren Gemeinschaften wegen Ketzerei verfolgt und auch umgebracht wurden. Auch gab es unterschiedliche Rechtsformen wegen großer Interessengegensätze - teilweise konnte gerade im süddeutschen Raum in der Blütezeit der Bettelorden wegen deren Weigerung keine Frauenklöster gegründet werden, so daß sich die Frauen in Beginenhäusern zusammenschlossen, teilweise kam es im Zuge der Stabilisierung der staufischen Herrschaft zu gezielten Klostergründungen, so daß im 12. Jhd. keine Beginenhäuser entstehen mußten oder Stiftungen des Adels, des hohen und niedrigen Adels je nach sozialer Lage sicher unterschiedlich und auch reicher Bürger, ursprünglich für Beginen gedacht, in Klöster umgewandelt wurden. Stiftungen von Beginenhäusern, um das Seelenheil der Stifter zu befördern, sind nachweisbar, außerdem in den Städten Stiftungen oder Ableger von Klöstern, um die Krankenpflege, auch in städtischen Spitälern, zu übernehmen.

Im Laufe der Zeit hat sich die gesamte Bewegung in gewissen Grenzen institutionalisiert. In der Spätphase, besonders des 15. Jhds., ist das Beginentum „ zwar nicht auf ein einheitliches Maß geschrumpft, es ist jedoch bei weitem eingrenzbarer geworden und verfügt über stabilere Formen. So hat sich etwa das Sozialprofil verengt und der institutionelle Schwerpunkt ganz eindeutig auf den hierarchisch strukturierten Konvent mit vita communis und Gemeinschaftsbesitz verlagert. Geistlich und rechtlich sind fast sämtliche Beginen mit einem Ordensverband verbunden und befolgen dessen Regeln und Statuten für Frauengemeinschaften.“[5] Die Franziskaner dominieren in dieser Bewegung so sehr, daß die Geschichte des Beginentums beinahe mit der Regionalgeschichte des 3. Ordens der Franziskaner im 14. und 15. Jhd. identisch ist.

Ursprünglich bildeten sich die Gemeinschaften meist durch freiwilligen Zusammenschluß der beteiligten Frauen, wobei immer noch auch lockere Gemeinschaftsformen mit Privatbesitz bestehen blieben, neben Konventen mit hierarchischer Struktur. Sehr flexibel konnte auf die örtlichen und sozialen Strukturen eingegangen werden, wobei sicher auch die Finanzierung der Bewegung die Unterschiede erklärt, je nachdem eine einzelne Person eine Stiftung erließ oder klösterliche Einflüsse zur Geltung kamen. Von Gebetsstiftungen über Bettel und verschiedenste Arbeitsformen, vom Leben aus dem Zins der Stiftung bis zur Krankenpflege reicht der Hintergrund, um zu überleben. Von vollständig beginisch, also mit eher freien religiösen Regeln, bis beinahe klösterlich bleibt die Bewegung erhalten, wobei die geistliche Betreuung oft bei den Franziskanern gesucht wird. Im 13. Jhd. gibt es von der informellen Anlehnung bis zur bischöflich abgesicherten Unterstellung bis hin zum Anschluß des Beginenkonventes an ein Männerkloster nach Art einer abhängigen Konversengemeinschaft alle Formen.

Die gesamte Bewegung reagiert rasch auf veränderte Bedingungen, Klausen und Beginenhäuser, Konvente entstehen und vergehen. Entsprechend unsicher ist die Zuordnung, sind die Berichte in den Archiven unvollständig oder verwirrend. Im 14. und 15. Jhd. lassen sich Unterschiede zwischen den ländlichen und städtischen Strukturen immer besser erkennen, dies betrifft aber das gesamte Sozialgefüge der damaligen Zeit.

Im Unterschied zu Klöstern, deren Stiftungsurkunden nachweisbar oder rekonstruierbar sind, gibt es nicht nur im ländlichen Bereich für die Gründung von Beginenhöfen eine wenig gesicherte Aktenlage. Auch ist bei den sehr verschiedenen Gründungsvorgängen meist keine überlieferte Rechtsform vorhanden, die dokumentiert wurde.

Auch diese Tatsache könnte erklären, weshalb für Waiblingen wenig an schriftlich Gesichertem vorhanden ist, neben der Tatsache, daß Waiblingen gegen die großen Städte der Umgebung zum eher landstädtisch geprägten Bereich ohne großen Reichtum und entsprechende Bedeutung wurde.

Mit aller Vorsicht könnte zusammenfassend behauptet werden:

In Waiblingen existierte eine Gemeinschaft, deren Gründung im Dunkeln liegt, die sich aber später wie die meisten Beginenhäuser an den Franziskanerorden anschloß. Unterstützung durch Vermächtnisse sind belegt. Die Bezeichnung Nonnen bei Fehlen einer klösterlichen Gründung, die mit Sicherheit nachweisbar wäre, deutet auf das Bestehen eines Beginenhauses hin, das in der Nähe des damaligen Friedhofes um die große Kirche vor den Mauern lag. Diese war sehr wahrscheinlich eine Marienkirche. [6]

Die Pflege Sterbender und die Mitwirkung bei Begräbnissen könnte schon bei der räumlichen Nähe zum Friedhof möglich gewesen sein.

Offen bleiben muß, welche Funktion das Nonnenkirchlein für die Beginen hatte. Die räumliche Nähe würde es als möglich erscheinen lassen, daß sich die frommen Frauen dort trafen. Ob baulich ein überdachter Gang vom Beginenhaus zur Empore vorhanden war, muß offen bleiben. Die Emporenkonstruktion ist zeitlich nicht einzuordnen, Reste der die Empore tragenden Steine sind sichtbar, das Westfenster könnte ein Zugang gewesen sein. Allerdings wäre der kleine Raum der Kapelle durch die Empore sehr in Mitleidenschaft gezogen worden. Falls die These stimmt, daß im späteren Karner, im Untergeschoß, eine Wallfahrt nachzuweisen wäre, die durch die beiden gegenüberliegenden Türen an einem Quellbecken und an den Gebeinen eines bedeutenden Mannes vorbei erfolgte, bleibt die Funktion der Oberkirche um 1510 - 20 immer noch offen. Besonders die beiden Türen an der Süd - und Westseite sind in ihrer Funktion ebenso unklar und zeitlich schwer einzuordnen.

Es ist aber nicht auszuschließen, daß die Beginen das Nonnenkirchlein als ihren Ort der Kontemplation benützten. Vielleicht hatten sie auch eine Funktion bei der Durchführung oder Begleitung der Wallfahrt, wobei völlig offenbleiben muß, in welcher Weise diese geschah. Da das Untergeschoß später als Karner, als Beinhaus, benutzt wurde, läge auch die Vermutung nahe, daß die frommen Frauen ihre Funktion bei der Begleitung Sterbender und Toter auch hier hätten haben können und in der oberen Kirche die Verehrung der 14 Nothelfer erfolgte. Eine wenig haltbare These ist, dass der Verstorbene Ernst von Zwiefalten sein könnte. Jüngere Forschungen von Michael Dörner weisen mit einer gewissen Plausibilität darauf hin, dass der Stifter des Nonnenkirchles bzw. der Tote in der Unterkirche Johannis Molitoris aus Grunbach sein könnte. Er hatte für den Kirchbau genügend Vermögen und auch keine Erben. Molitoris war Dekan und Stadtpfarrer in Cannstatt, Notar und Siegler, Domstifts – Procurator und bischöflicher Kommissar. Urkundlich nachweisbar ist aber diese These bisher nicht, sie beruht auf vergleichenden Forschungen über betuchte Leute aus der Umgebung und der Bauzeit.

Daß die Kirche im Zusammenhang der Glaubenskrisen und der religiösen Suche der vorreformatorischen Zeit bei aller Schönheit des Gewölbes mit seinem Sternenhimmel auch überladen wirken mag, könnte auch ein künstlerischer Ausdruck, entstanden durch die allgemeine Unsicherheit, sein. Je überladener, je sicherer, rückversichernder. Ein Sternenhimmel mit vielen Heiligen könnte einen dem Himmel im allgemeinen religiösen Empfinden näher bringen als es eine franziskanische Predigt der damaligen Zeit vermochte. Steingeworden, bildhaft anschaulich wäre das Gebäude ein Ausdruck der damaligen Zeit, sich der Seligkeit zu versichern, nach der auch die Beginen in ihren religiösen Lebensformen suchten.

Die Gegenthese, nach der es in Waiblingen keine Beginenbewegung gab, wäre mit Sicherheit schwerer als die im Aufsatz beschriebenen Vermutungen historisch zu belegen. Verwiesen werden soll in diesem Zusammenhang nur noch auf das Klösterle in Bad Cannstatt, einem Beginenhaus aus ähnlicher Zeit.

Das ansprechende Gebäude regt auf jeden Fall zu eigener religiöser Kontemplation an. Ob diese mittelalterlich rückwärtsgewandt oder offene Fragen des Mittelalters nach dem Sinn menschlichen Lebens aufnehmend geschieht oder heute völlig neue Frömmigkeitsformen und Gebäude bräuchte, bleibt der Leserin, dem Leser überla

 

 

[1] Stadtarchiv Waiblingen, Unterlagen zur Chronologie des Nonnenkirchleins, Dr. Herbst

[2] Andreas Wilts, Beginen im Bodenseeraum ,1994 S. 15

[3] Nach:Gertrud Hofmann, Werner Krebber, Barmherzige Samariterinnen, 1991, S. 86 ff

[4] vgl. Degler - Spengler, Religiöse Frauenbewegung des Mittelalters. Konversen - Nonnen - Beginen 1984

[5] Wilts: S.35

[6] Stadtarchiv 1479 „ die cappellany Sant Vrbans altars in vnnser Lieben fraüwen kirchen zu waiblingen“