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von Wolfgang Wiedenhöfer

Direkt neben der mächtigen Michaelskirche steht deren kleine Schwester, das sogenannet 'Nonnenkirchlein' - eines der interessantesten und zugleich geheimnisvollsten Bauwerke in Waiblingen, erbaut zwischen 1496 und 1510. Es führt uns auf die Spur einer der prominentesten Persönlichkeiten ihrer Zeit in Süddeutschland: Prinzessin Sabina von Bayern, Herzogin von Württemberg.

Über die ursprüngliche Verwendung und die Gründungsursache des über der alten Umfassungsmauer gebauten Kirchleins gibt es bis heute nur Vermutungen. Im Untergeschoss wurde das direkt an der Friedhofsmauer gelegene Grab eines in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gestorbenen unbekannten Mannes freigelegt. 1496 wurde über seinem Grab dann das Gewölbe der heutigen Unterkirche gesetzt. Der mit einem prächtigen Netzgewölbe von Hans von Ulm geschmückte und 1510 vollendete Saal im Obergeschoss gehört zu den schönsten Räumen in Waiblingen. Die Schlusssteine an der Decke zeigen Heilige aus dem Zyklus der 14 Nothelfer, außerdem das Lamm Gottes, das Christusantlitz, den Evangelisten Johannes, und Christus, alles für die damaligen Zeit und unsere Region sehr typische Bildnisse. Auffällig ist jedoch die Darstellung eines vermeintlich unbekannten Heiligen mit abgeschlagenen Händen, der so gar nicht in diese prominente Reihe zu passen scheint. Der Historiker Prof. Adolf Schahl sieht in dieser Abbildung den hl. Sabinus, eine nicht nur für unsere Region sondern allgemein nördliche der Alpen und sogar in seiner Heimat Italien sehr seltene Darstellung dieses Heiligen. Die mögliche Erklärung wäre dann ein baulicher Bezug auf Prinzessin Sabina von Bayern, deren Namenspatron Sabinus war.

Sabina von Bayern wurde 1498, im zarten Alter von 6 Jahren, aus rein strategisch-dynastischen Gründen zum Ausbau der Machtstellung Württembergs mit dem damals 11-jährigen Herzog Ulrich von Württemberg verlobt. Als Nichte von Kaiser Maximilian I. war Sie eine der „besten Partien“ auf dem damaligen Heiratsmarkt des europäischen Hochadels. Eine derart wohlgeborene Braut musste natürlich entsprechend versorgt werden, Prinzessin Sabina bekam im Heiratsvertrag Stadt und Amt Waiblingen - samt dem gerade im Bau befindlichen Nonnenkirchlein – zum wirtschaftlichen Unterhalt und als Witwensitz zugesichert. Die Einkünfte dieser reichen Pfründe sicherten ihr von da an ein standesgemäßes Einkommen und im Waiblinger Schloss hätte sie nach dem Tod ihres Ehemannes wahrscheinlich auch ihren Lebensabend zugebracht, aber es sollte anders kommen:

Die Hochzeit wurde am 2. März 1511 mit viel Prunk in Stuttgart gefeiert, die Feierlichkeiten mit mehr als 16.000 geladenen Gästen zogen sich über 14 Tage hin, aus einem Brunnen auf dem Schlossplatz soll kostenloser roter und weißer Wein für die Bürger geflossen sein. Doch das Eheglück war nicht von Dauer, der untreue Herzog suchte Trost bei der Tochter seines Erbmarschalls, Ursula von Hutten. Der Ehebruch gipfelte in einem Mord: Herzog Ulrich erschlug Ursulas Ehemann am 7. Mai 1515 im Streit.

Um ihrem jähzornigen Ehemann zu entgehen floh Sabina, mit Unterstützung Kaiser Maximilians, im November des Jahres 1515 zu Verwandten nach München. Die mittlerweile geborenen Kinder Anna und Christoph musste Sabina in Württemberg zurücklassen. Der Ehestreit eskalierte und führte unter anderem zur Verbannung des Herzogs durch die Truppen des Schwäbischen Bundes unter Sabinas Bruder, Herzog Wilhelm von Bayern. Württemberg fiel für 14 Jahre an den Habsburger Kaiser Karl V., den Erzherzog von Österreich. Sabina konnte nach Württemberg zurückkehren. Sohn Christoph wurde an den kaiserlichen Hof nach Innsbruck geschickt, nur Tochter Anna verblieb bei der Mutter in Urach, wo man sich sicherer als in Waiblingen oder Winnenden vor eventuellen Rachefeldzügen des verbannten Ulrichs wähnte. Für Sabina blieben die Zeiten unruhig: aufständische Bauern plünderten 1525 ihr Schloss in Waiblingen, Tochter Anna verstarb1530 in Urach an der Pest, als 1534 Herzog Ulrich sein Land zurück eroberte flüchtete Sabina zuerst nach Bregenz. 1538 zog sie nach München, wo sie in Erbstreitigkeiten mit ihrer Familie geriet in deren Folge sie sogar für 16 Wochen in der neuen Feste inhaftiert und dadurch zur abermaligen Ausstellung eines Erbverzichts genötigt wurde, den sie am 16. September 1545 siegelte. Erst 1550, nach dem Tod Herzog Ulrichs, kam Ruhe in ihr Leben, als Sohn Christop die Mutter 1550 zurück nach Nürtingen holte und finanziell absichert. Ihren Lebensabend verbringt sie in Nürtingen, wo sie am 30. August 1564 vermutlich an einem Schlaganfall stirbt. Sabine von Bayern, Herzogin von Württemberg, ist in der Tübinger Stiftskirche an der Seite ihres ungeliebten Gatten Ulrich beigesetzt.

Ob Prinzessin Sabina von Bayern, Herzogin von Württemberg, jemals Fuß auf Waiblinger Boden gesetzt hat, ist nicht überliefert. Dennoch bleibt die Geschichte der Stadt, ausgehend von einer eher unscheinbaren Spur, auf die uns ein Schlussstein des Nonnenkirchles geführt hat, eng mit ihrem Schicksal verbunden.

 

Abb: Herzogin Sabina von Bayern, Gemahlin Herzog Ulrichs von Württemberg, Kohlezeichnung, Kupferstichkabinet Albertina, Wien (um 1530, dem Meister von Meßkirch zugeschrieben)

Weiterführende Literatur:

Harald Schukraft: Kleine Geschichte des Hauses Württemberg. Silberburg Verlag Tübingen (2. Aufl. 2007).

Abb. Header: HaStA A 45 Bü 9, Manifest Herzog Ulrichs an die Stände des Reichs über den Verlauf des Aufruhrs des "Armen Conrad" ("Warhafftig underrichtung der uffruorn unnd handlungen sich im fürstenthumb Wirtemberg begeben") 16. Mai 1514, Mitwoch nach unser lieben frawen tag Assumptionis